Plakat Coronavirus Hauptgebäude Universität

Digitales Arbeiten und interdisziplinäre Kollaboration in Zeiten von Corona

Die Corona-Pandemie hat die Forschungsarbeit aller Wissenschaftler*innen stark beeinträchtigt. In unserem interdisziplinären Team konnten wir zur Unterstützung unserer digitalen Arbeit auf verschiedene Tools zurückgreifen. Welche waren das, welche Erfahrungen haben wir gesammelt und welche Lehren lassen sich daraus für die zukünftige Forschung ziehen?
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Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Meldung vom: | Verfasser/in: Anja Rusche

Es ist das Jahr 2020 und die Welt wurde von einer Katastrophe erschüttert. Das Leben und Arbeiten, wie wir es kannten, musste eingeschränkt werden. Shutdown und Quarantäne bestimmten fortan den Alltag, um die Auswirkungen der globalen Pandemie zu minimieren. Neben Geschäften, privaten Kontakten und Schulen wurden auch Forschungseinrichtungen und Hochschulen geschlossen. Ein neuer Alltag entstand, der uns bis heute erhalten geblieben ist. Lehre und Forschung mussten sich gezwungenermaßen auf die neue digitale Welt einlassen, um dem völligen Stillstand zu entkommen. Auch unser Projekt war davon betroffen. Nach nur 2,5 Monaten Projektlaufzeit, während die Hilfskräfte eingelernt wurden und sich das Team langsam einzuspielen begann, musste unsere Forschung plötzlich in das Homeoffice verlegt werden. Wie gelang uns diese Transformation? Welche Hürden gab es zu bewältigen? Der folgende Beitrag soll sich diesen Fragen widmen und einen Einblick in unseren neuen Forschungsalltag geben.

Digitales Arbeiten und die interdisziplinäre Zusammenarbeit

Um die weitere Arbeit zu gewährleisten, mussten drastische Veränderungen im Arbeitsablauf vorgenommen werden, die mit den Maßnahmen konform gingen. Der heimische Schreibtisch, manchmal auch der Küchentisch, wurde der dauerhafte Arbeitsplatz. Die Nutzung von Büros war nur sehr eingeschränkt möglich oder gar komplett verboten. Wie viele andere Wissenschaftler*innen und Studierende machten wir uns mit der Welt der Videokonferenzen vertraut. Sämtliche Besprechungen liefen nun digital ab. Der Arbeitsplatz, wenn auch von Zuhause, wurde virtuell.

Vor den Herausforderungen standen viele, aber wir hatten den Vorteil, dass wir als interdisziplinäre Arbeitsgruppe durch die Informatiker*innen in unserem Team bereits auf digitales Arbeiten vorbereiten waren. So benutzten wir bereits vor der Pandemie eine CloudExterner Link und GitLabExterner Link

Die Cloud stellte im Homeoffice einen dezentralen und virtuellen Arbeitsplatz dar. Die Vorzüge dieser Methode liegen in einem schnellen Austausch. Die Hürde der verschiedenen Programme besteht nicht mehr, denn die interne Office-Software kann mit allen Formaten problemlos bespielt werden. Zudem gibt es in der Cloud auch die Möglichkeit einer Versionsverwaltung, wodurch die Probleme mit unterschiedlichen Versionen einer Datei auf den verschiedenen Computern unserer Arbeitsgruppe wegfallen. Jedes Mitglied unseres Projekts kann daher sofort und unproblematisch auf die aktuellen Ergebnisse und Versionen der anderen zugreifen und kommentieren. Für Historiker*innen bestand die Möglichkeit weiterhin problemlos mit Schreibprogramm und Excel zu arbeiten. Auch für Informatiker bietet die Cloud eine gute Möglichkeit Codeschnipsel, mit XML ausgezeichnete Dateien oder Grafiken hochzuladen. Die Informatiker bereiten die Ergebnisse ihrer Arbeit auf und bringen sie in eine Form, die von den Historiker*innen genutzt und bearbeitet werden kann. Dabei handelt es sich meist um CSV- oder XML-Dateien und HTML-Dokumente.

Noch wichtiger als die Cloud war für die Transformation zum digitalen Arbeiten im Homeoffice GitLab, eine Webanwendung zur Versionsverwaltung in Software-Projekten. GitLab ist ein flexibles vielseitiges Tool für Aufgaben und Kommunikation innerhalb der Gruppe. Neben Repositorien für den Code bietet GitLab auch in der kostenlosen Version ein Task-Board und ein internes Wiki und bildet damit die Basis für ein digitales Projektmanagement. Im Bereich des Task-Boards wird das Hauptprojekt in verschiedene Teilprojekte unterteilt, etwa die Programmierung eines Parsers oder die Auswertung der aus dem RGExterner Link gewonnen Daten in einer Netzwerkanalyse. Diese Untergliederung erleichtert die Arbeits- und Aufgabenstruktur. In jedem Teilprojekt werden die zu erledigenden Aufgaben aufgegliedert, indem für jede Aufgabe ein sogenanntes Ticket angelegt wird. In jedem Ticket werden die einzelnen Arbeitsschritte den jeweiligen Personen zugeordnet, die für eine Erfüllung einer Aufgabe erledigt werden müssen.

Beispielsweise wird die Programmierung eines Tools für die Zerlegung von Text unterteilt in Aufgaben-Tickets wie die Erstellung einer Datenbank für die gewonnenen Daten, die Programmierung des Parsers und die manuelle Korrektur der geparsten Ergebnisse durch ein*e Historiker*in. Basierend darauf wird der Parser dann überarbeitet. Dieser Vorgang wiederholte sich einige Male. Jedes Mitglied erhält in dem Ticket-System eine Übersicht über ausstehende und erledigte Aufgaben sowohl von sich selbst als auch von den Kolleg*innen. Dadurch ist unter anderem ein*e Informatiker*in jederzeit über den Stand der manuellen Korrekturen informiert. Das System lädt zu Diskussionen ein, da sich per Tagging Personen in den Tickets verlassen und man gemeinsam Probleme und Lösungen erörtern kann, die direkt als Chronik im jeweiligen Ticket erscheinen. Eine neue Hilfskraft kann daher in unserem Projekt ohne Probleme eingearbeitet werden, da der Projektstand zu jedem Zeitpunkt dokumentiert ist.

Gitlab Veranschaulichung
Gitlab Veranschaulichung
Foto: MEPHISTO, CC BY 4.0

Doch wie genau sieht eine interdisziplinäre Kollaboration in Zeiten von Corona aus? Die Besprechungen finden mehr digital statt. Bei unserem wöchentlichen Jour fixe am Montag früh wird die folgende Woche geplant und Termine für detaillierten Informationsaustausch und Diskussion festgelegt, der sich nicht über das GitLab erledigen lässt. Dabei werden die jeweiligen Aufgabenstellungen und Lösungsansätze durch Historiker*innen und Informatiker gemeinschaftlich formuliert. In der Regel starten daraufhin die Informatiker mit den gegebenen Materialien zu arbeiten. Dabei werden die Cloud in Verbindung mit der Projektmanagementplattform zum Datenaustausch und Arbeitsplanung genutzt. Kleinere Probleme und Fragen werden meist direkt in den Tickets besprochen. Für größeren Problemen werden Besprechungen abgehalten, bei denen wieder beide Disziplinen vertreten sind. Durch die digitale Form ist der Planungsaufwand dafür gering, der Mehrwert durch die dauerhafte interdisziplinäre Besetzung jedoch sehr groß.

Exkurs: Datenerfassung im Repertorium Germanicum

Ein Beispiel, an dem wir unseren Workflow im Homeoffice vorstellen wollen, ist die Personenbezogene Datenerfassung. Die ursprünglich gedruckten Regesten des Repertorium Germanicum wurden im Zuge der Digitalisierung durch die Bearbeiter am Deutschen Historischen Institut in RomExterner Link im XML-Format ausgezeichnet und online gestellt. Problematisch ist dabei aber, dass die Entitäten, also etwa Personen oder Orte, nicht ausgezeichnet worden sind. Da wir diese für unsere eigene Forschung benötigen, müssen wir diese Entitäten innerhalb des Textes finden und identifizieren. Dafür entwickeln die Informatiker*innen Parser und gleichen die Ergebnisse automatisch mit den digitalisierten Registern ab.

Das Ergebnis wird in der Cloud veröffentlicht und im GitLab hinterlegt. Die Historiker*innen beginnen danach mit der Durchsicht der Ergebnisse und markieren manuell die erkannten Fehler. Hilfreich ist dabei eine Kombination aus Excel-Tabellen, und einer HTML Version des jeweiligen Bandes. In letzterer werden die Regesten im Ganzen dargestellt und die Entitäten farbig markiert. Ortsnamen und Personenbezogene Daten erhalten jeweils eigene Markierungen, die von den Historiker*innen zu prüfen sind. Fehlerkorrekturen werden in die Excel-Tabelle eingetragen, wobei die genaue Lokalisation innerhalb des Textes von essenzieller Bedeutung ist. Man muss den genauen String markieren, für den Fall, dass der Parser einen Fehler gemacht hat und etwas nicht korrekt oder nicht vollständig erkannt hat. Namen müssen dabei in der Tabelle zusätzlich in der Reinform vermerkt werden, damit diese in der Datenbank erfolgreich getaggt werden können. Für diese Arbeit ist das Verständnis und Kontextualisierung nötig, die in den meisten Fällen nur von Historiker*innen ausgeführt werden kann, da das Material des RG auf Latein verfasst wurde. Damit gehen auch verschiedene Probleme für die Informatiker*innen einher, da der Parser mit verschiedenen lateinischen Formen und Abkürzung sowie mit Kopialfehlern und Fehlern bei der OCR-Digitalisierung nicht umgehen kann. Ist die händische Durchsicht abgeschlossen, werden die Tabellen, die in der Cloud bearbeitet wurden, wieder von den Informatiker*innen genutzt, um eine Fehlerquote zu berechnen und mögliche Verbesserungen zu implementieren.

Vor- und Nachteile des digitalen interdisziplinären Arbeitens – ein Resümee

Ein rein digitaler und dezentraler Arbeitsplatz war für viele eine Traumvorstellung, damit verbunden Eigenständigkeit, freies Arbeiten und Flexibilität. Doch die vergangen 16 Monate zeigten , was es wirklich bedeutet im Homeoffice zu sein. Der eigene Arbeitsplatz ist oft nicht gut ausgewählt, meist geprägt von Störquellen, die eine ruhige und konzentrierte Arbeit verhindern. Bei einer dauerhaften Tätigkeit im Homeoffice schwindet die Motivation durch die Ablenkung recht schnell, eigene Disziplin und Organisation werden zur größten Tugend und sind von Nöten. In unserem Projekt arbeiten wir digital, dezentral mithilfe von GitLab und unserer Cloud. Eine gute Internetverbindung ist dabei essenziell, doch nicht immer gegeben, was die Arbeit, insbesondere bei Videokonferenzen, häufig erschwert. Dagegen bietet die Digitalisierung der Forschung auch viele Vorteile.

Aus der Sicht der Historiker*innen war es nicht immer vollständig nachvollziehbar, wie die entsprechenden Materialien von den Informatikern bearbeitet wurden. Das betrifft insbesondere diejenigen, die sich in der Welt der Informatik wenig bis gar nicht auskennen und konnte durchaus zu Problemen führen. Man über- und unterschätzte gelegentlich die Möglichkeiten, über die die Informatik und die Mitarbeitenden verfügen. Das führte gelegentlich zu Missverständnissen auf beiden Seiten. Ebenso war es auch für die Informatiker oft nicht leicht, die Materialien und deren Struktur zu verstehen. Besonders das Repertorium Germanicum definiert sich als eine komplexe und informationsgeladene Quelle, die auch für Historiker*innen ein konkretes Wissen und Verständnis erfordert. Diese Probleme können aber durch den Einsatz eines digitalen Projektmanagementtools wie GitLab erheblich reduziert werden. Historiker*innen können jederzeit die Arbeit der Informatiker nachvollziehen. Bei Bedarf können sie im Git-Repository auch jederzeit in den Code hereinschauen und dadurch von den Informatikern lernen. Ebenso können die Informatiker in unserer Arbeitsgruppe nachvollziehen, was mit ihrer Arbeit geschieht. Bei Fragen oder auftretenden Bugs können sie schnell Hilfe geben oder die Fehler nachvollziehen.

Workshops, Gespräche und Teilnahme an Videokonferenzen sensibilisieren die Forschenden und unterstützen eine kollaborative Arbeitsatmosphäre. Ein weiteres Mittel, um die interdisziplinäre Arbeit zu fördern, ist das jeweilige Einarbeiten in die andere Disziplin. Historiker*innen müssen sich mit den Möglichkeiten und den Arbeitsweisen der Informatik vertraut machen. Einführungen in Auszeichnungssprachen wie XML und Programmiersprachen wie Python, Java oder R sind hilfreich und führen zu einer aktiven Mitarbeit an der Erstellung oder Überarbeitung von Programmen. Die Informatiker*innen können sich wiederum mithilfe von Literatur und Einweisungen durch Historiker*innen mit den Quellen und deren Inhalt vertraut machen. Die historische Quellenarbeit und die Bewertung der Aussagekraft von Quellen fördern Verständnis.

Interdisziplinäre Kollaboration besteht neben einem gegenseitigen Miteinander auch aus den entsprechenden technischen Möglichkeiten, um eine Zusammenarbeit auch im Homeoffice zu ermöglichen. Die jeweiligen Arbeitsschritte und Ergebnisse können nur im Einklang mit den verschiedenen Disziplinen erfolgen. Trotz der Beeinträchtigungen durch die Corona-Pandemie gelang es unserem Projekt diese Elemente miteinander zu verbinden und eine gute interdisziplinäre Kollaboration zu erschaffen, in der Informatiker und Historiker*innen erfolgreich forschen können.